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Das architektonische Konzept

Städtebauliche Bedeutung

Der Neubau des Musikforums ist eine Antwort auf die besondere städtebauliche Situation des Standortes im ViktoriaQuartierBochum.
Die ehemalige Kirche St. Marien als integraler Bestandteil des Musikforums ist bereits auf der städtebaulichen Ebene wichtigster Ausgangspunkt der architektonischen Überlegungen: Das Kirchengebäude wird Teil eines Gesamtkomplexes, in dem es einerseits den Maßstab für das Neue setzt und gleichzeitig als historische städtebauliche Dominante erhalten bleibt. Dabei hat die Kirche nicht nur im Stadtraum, sondern auch für die Wirkung des neuen Gebäudeensembles große Bedeutung als wertvolles und Identität stiftendes Bauwerk. Der Kirchenraum wird zum Eintritt, Foyer und Treffpunkt im Musikforum und damit die Marienkirche zum Herz des neuen Gebäudes. Auch die Außenansicht der Gebäudeflucht betont diesen Eindruck: Die Neubauten springen von der Viktoriastraße zurück und bilden so einen Vorplatz für das Musikforum, der Chor der Kirche dagegen ragt in den Straßenraum hinein, betont dabei ihre städtebauliche Dominanz und markiert den Haupteingang des Gebäudes.

Die beiden neuen Gebäudeteile, die zu beiden Seiten der Kirche angeordnet sind, orientieren sich unmittelbar an der Länge des Kirchenschiffs. Auf der Südseite der Kirche befindet sich der große Konzert- und Veranstaltungssaal, auf ihrer Nordseite der kleine, multifunktionale Saal. Die beiden Baukörper werden über niedrige Zwischenbereiche an das Kirchenschiff angeschlossen - diese beiderseitigen Fugen machen die Struktur der Baukörper klar ablesbar. Im Innenraum entsteht so eine spannende räumliche Dramaturgie vom hohen Kirchenraum über den niedrigen Zwischenbereich in die hohen Säle.
Der Große Saal ist, seiner Bedeutung entsprechend, der höchste Teil des Neubaus, ohne aber dabei die Traufhöhe der Kirche zu übersteigen. Er wird durch einen bei Nacht illuminierten Oberlichtgaden zusätzlich akzentuiert. Die ebenerdigen quadratischen Fensterreihen entlang des Umgangs öffnen das Haus und gewähren Ein- und Durchblicke.

Die an die Humboldtstraße angrenzenden Außenanlagen laden mit der Terrasse und dem anschließenden Baumhain sowohl Passanten wie auch Konzertbesucher zum Verweilen ein. 

Architektur und Akustik

Der Neubau des Musikforums ist kein elitäres Konzerthaus, sondern ein gleichermaßen prägnantes wie einladendes Gebäude, das den Bochumer Symphonikern, der Musikschule Bochum und weiteren Akteuren als lebendige Plattform des Proben- und Konzertbetriebs dient. Die architektonische Eigenständigkeit des Hauses kann dabei durchaus auch als Ausdruck des eigenständigen Profils seiner Nutzer verstanden werden. 

Das Kirchenfoyer

Über drei Stufen von Süden beziehungsweise eine Rampen- und Treppenanlage von Norden gelangt der Besucher von der Viktoriastraße aus in den früheren Chor der Marienkirche. Großformatige Laibungen aus gestocktem Beton öffnen neue Zugänge im historischen Gemäuer. Im ehemaligen Chor selbst befindet sich eine Infobox mit Ticketshop. Vom Eingangsbereich in leicht erhöhter Position im Chor öffnet sich der Blick nach Westen in den Kirchenraum. Wenige Stufen führen hinab ins frühere Kirchenschiff, das nun in erster Line als Pausen- und Foyerbereich dient, aber – unter anderem durch eine schallabsorbierende Decke – akustisch so ausgestattet wurde, dass sie darüber hinaus als zusätzlicher Konzert- bzw. Veranstaltungsort mit ganz eigenem Charakter bespielt werden kann. 
Unter einer neuen Empore befindet sich die Garderobe mit Ausgabetresen, die Pausengastronomie erfolgt über eine mobile Thekenanlage im Erdgeschoss. Der Abgang zu den Besuchertoiletten erfolgt vom Foyer aus ins Untergeschoss der Kirche.

Die ursprüngliche Raum- und Tageslichtsituation, die der Kirchenraum bewahren konnte, wird durch ein Kunstlichtkonzept ergänzt, das darauf abzielt, die Kirchendecke gleichsam zu entmaterialisieren. Sie wird von oberhalb der Säulenkapitelle angebrachten Flutern erleuchtet und reflektiert das Licht über mit Spiegeln hinterlegte Streckmetallfelder, die bündig in die Decke eingelassen sind.
Durch die drei mittleren Joche der Kirche erreicht der Besucher den Großen Saal im Süden und den Kleinen Saal im Norden. Zwischen den äußeren Strebepfeilern der Kirche sind Oberlichter in die Decke eingefügt, die zenitales Licht einfallen lassen und so den Übergang vom Foyer zu den Sälen akzentuieren und die ehemalige Außenfassade der Kirche in ihrer Tageslichtsituation belassen.

Der Große Saal

Der Große Saal wird geprägt vom Wunsch nach einer möglichst direkten und aktiven Beziehung zwischen Orchester und Publikum, wie sie von den Bochumer Symphonikern und ihren Zuhörern gelebt wird.

Die üblichen geraden Linien der klassischen „Schuhschachtel“-Form wurden dazu durch die leicht konzentrische Kontur von Chorbalkon, Bühne und Hochparkett sowie durch Wölbungen der Wände und Brüstungen im Saal und durch geschwungene Sitzreihen durchbrochen. Insbesondere im Bereich der Balkone und der Bühne prägt diese Gestaltung die Akustik des Saals ganz wesentlich: Die Verkleidung in diesen Bereichen ist mehr oder weniger gewölbt, ihre Fronten unterschiedlich geneigt - dadurch wird der Schall reflektiert und in die gewünschten Richtungen gelenkt. Einzelne Bereiche der Bühne wurden so schallverringernd bzw. schallverstärkend ausgestattet. Auch der Deckenreflektor, eine exakt austarierte, ca. 8 Tonnen schwere Konstruktion aus Stahl und Gipskarton, reflektiert den Schall sowohl auf die Musiker auf der Bühne wie auch in den Saal.

Der Zuschauerbereich ist in mehrere kleine Einheiten gegliedert, wie dies sonst eher von „Weinbergsälen“ bekannt ist. Diese Bereiche umgeben die Bühne allseitig und erzeugen so das Gefühl der Nähe zur Bühne und zum Klang. Auch wenn jeder Zuhörer seinen Platz nach individuellen Vorlieben wählt, so soll doch der besten Klang auf allen Plätzen im Saal gleich ausgewogen erlebbar werden. Neben den baulichen Maßnahmen haben auch die Stühle daran einen nicht zu unterschätzenden Anteil, denn ihre Gestaltung gewährleistet, dass sich der leere Saal etwa bei Proben akustisch ähnlich verhält wie während einer Konzertsituation der komplett mit Zuhörern besetzte. Um dies zu erreichen, wurden die Stühle im Vorfeld mit Hilfe akustischer Messungen im Labor untersucht und optimiert.
Zusätzlich zur klassischen äußeren Erschließung des Saales durch Treppenanlagen in den Seitenfoyers, die zusätzlich als akustischer Puffer zur Straße hin dienen, erreicht man auch jeden Sitzplatz innerhalb des Saales. Der Besucher gelangt auf der mittleren Ebene in den Saal, von wo aus der Weg entweder über Umläufe zu den Balkonen und dem Rang oder über das Hochparkett und zwei geschwungene Treppen hinab zur Bühne führt. Der Chorbalkon hinter der Bühne ist wahlweise von der Galerie oder vom Backstagebereich aus erschlossen und kann somit variabel genutzt werden. Die Bühnenrückwand ist niedrig gehalten, so dass bei einem Chorkonzert ein sehr direkter Kontakt zwischen Dirigent, Orchester und Chor möglich ist und ansonsten die Zuschauer den unmittelbaren Bezug zu den Aufführenden genießen können. 

Im Großen Saal finden insgesamt 962 Zuschauer Platz, das akustisch wirksame Volumen beträgt 14.000 m³, wobei ein Teil dieses Volumens sich für den Zuhörer unsichtbar über der akustisch durchlässigen Wabendecke befindet. Dadurch konnte die vor allem für groß besetzte Werke akustisch notwendige Kubikmeterzahl erreicht werden, ohne gleichzeitig die vom Besucher angenehm empfundenen Proportionen des Saals zu verlieren.

Der Backstage-Bereich

Der Künstlereingang befindet sich mit der Anlieferung an der Westseite des Hauses. Treppe und Aufzug führen hinunter auf die Bühnenebene, wo mit Ausnahme der Percussionräume alle Stimmzimmer und Garderoben des Orchesters in kompakter Anordnung und unmittelbarer Nähe zur Bühne untergebracht sind. Die Hinterbühne umgreift die Bühne von drei Seiten und erhält über einen Luftraum nach oben Tageslichtbezug. Das Instrumentenlager auf Bühnenniveau vornehmlich unter den Chorplätzen ist über den Lastenaufzug auf kurzem Weg an die Anlieferung angebunden. 

Der Kleine Saal

Die Erschließung des Kleinen Saals für etwa 300 Personen erfolgt vom Kirchenraum/Foyer aus nach Norden in Analogie zur Erschließung des Konzertsaals im Süden. Der multifunktionale Saal kann bei Bedarf über zwei mobile, akustisch wirksame Trennwände von einem großen, vielfältig bespielbaren Saal in separat nutzbare Säle geteilt werden. Für die akustische Flexibilität können zusätzlich schwarze Vorhänge vor die Wände gezogen werden, die bei Bedarf den Nachhall dämpfen. Eine Reihe von abdunkelbaren Fenstern gibt den Blick zum nördlich angrenzenden Marienplatz frei. Durch diesen großzügigen Tageslichtbezug lässt sich der Kleine Saal gut für Projekte der Musikvermittlung, etwa Kooperationen mit Schulen etc. nutzen.

Materialien

Das Musikforum wird durch wenige, sorgfältig ausgewählte Materialien bestimmt: Klinker, Kupfer, Black Cherry und weißer Terrazzo bilden den in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Gebäudeteilen immer wiederkehrenden Kanon.
Die Fassade des Neubaus ist mit einer Vorsatzschale aus weiß geschlämmtem Ziegelmauerwerk versehen, dessen Material dem des Kirchenbaues entspricht. In gleicher Weise ist auch die Außenwand des Großen Saales zu den Zwischenfoyers hin behandelt - dies unterstützt die Wahrnehmung des „aus der Kirche Heraustretens”.
Die verglasten Elemente, Fenster und Türen, sind mit Kupferprofilen gefasst, das auch im Innenbereich für alle wesentlichen Metallelemente zum Einsatz kommt.
Der Große Saal wird dominiert von amerikanischem Kirschbaumholz und gegliedert durch mit hellem Stukko-Lustro versehene Rückwände der Galerieebenen. Das Holz findet sich dabei ebenso an den akustisch aktivierten Wänden, wie an der akustisch transparenten Wabendecke, die den Saal optisch nach oben beendet, ohne ihn wirklich zu verschließen.
Die baulichen Änderungen in der Kirche sind an Boden und Wänden in hellem Terrazzo gehalten, Decke und Wand verschmelzen so zu einer modulierten Topographie und werden durch die Möbeleinbauten in Kirschbaumholz kontrastiert.
Der Kleine Saal ist nach dem Prinzip zweier verschränkter „U”'s – Wand - Boden - Wand in Kirschparkett in Längsrichtung und Wand - Decke – Wand in schwarz in Querrichtung gestaltet.

Baubeteiligte

Planung Gebäude und Haustechnik, Überwachung der Ausführung:

Arge Akustik / Bauphysik
Planung Raumakustik, Schallschutz, Szenografie, Medientechnik, Bauphysik, Überwachung der Ausführung und schallakustische Messungen

sowie

  • ITV- Ingenieurgesellschaft für Theater- und Veranstaltungstechnik mbH, Berlin

Außenanlagen
Planung Freianlagen, Überwachung der Ausführung Freianlagen

Arge Projektsteuerung
Organisation und Steuerung des Gesamtvorhabens, Steuerung Kosten, Termine und Qualitäten, Überwachung aller Projektbeteiligten